Stille Örtchen - ein "Lokus-Spezial"

Lang, lang ist es her, da wurde in Köln nicht "Kölsch" jeschwaad sondern Latein. Zu Zeiten der Colonia Claudia Ara Agrippinensium stand der Begriff "locus" für  "Ort, Platz, Stätte, Stelle"; heute können Sie den Begriff noch an den Eingängen des Melatenfriedhofs sehen ("Funeribus Agrippinensium Sacer Locus/Für die Leichen Kölns geheiligte Stätte").

 

Um dem Ruf der Natur nachzukommen haben sich die Römer jedoch nicht auf ein "stilles Örtchen" zurückgezogen,  sondern in den öffentlichen Latrinen eingefunden.

Auf diesen Bildern ist die Rekonstruktion einer Latrine in Campodunum (Kempten/Allgäu) zu sehen. Wie ersichtlich saßen die Römer bei dieser Gelegenheit in fröhlicher Runde zusammen, spielten z.B. mit Würfeln, diskutierten über  Gott und die Welt und handelten den einen oder anderen Deal aus. Die Redewendung "Sein Geschäft machen" bekommt da plötzlich eine ganz andere Bedeutung. Unter den Sitzen sorgte fließendes Wasser vor den Abtransport des Unverdaulichen, wodurch ein hohes Maß an Hygiene sichergestellt wurde. Achten Sie auf dem Foto rechts auch auf die Rinne vor den Sitzen und den kleinen Stab, an dessen einem Ende ein Schwamm befestigt war:  durch die Rinne floss ebenfalls Wasser, das beschriebene Handgerät wurde angefeuchtet und ersetzte das heute gebräuchliche mehrlagige Papier.


Im Laufe der Zeit hat sich der sanitäre Standard natürlich deutlich verbessert, die flächendeckende Versorgung vor allem auch mit öffentlich zugänglichen Toiletten ist weitestgehend sichergestellt.  Als Stadtführer in Köln wissen meine Kollegen und ich meistens, wo sich unsere Gäste schnell einmal "das Näschen pudern können". Wenn Sie in Köln aber einmal besondere stille Örtchen sehen wollen habe ich zwei Tipps für Sie:


Unterhalb der Stufen vor dem Westportal des Kölner Doms finden Sie eines der bekanntesten Kölner Cafés überhaupt: das Café Reichard. Seit 1905 an diesem Platz weiß es seit Jahrzehnten durch seine süßen Spezialitäten und sein Ambiente zu überzeugen. Letzteres übertragt sich auch auf die "Örtlichkeiten", die sich, überraschend für ein so traditionelles Haus, sehr modern geben.

Die Herren-Abteilung ist hell und sauber, ein Hauch von Asien weht durch den Raum. Sphärische Musik sorgt für Entspannung, das Wasser fließt nicht direkt aus dem Hahn, sondern ergießt sich über eine Glasscheibe auf die Hände des Nutzers. Verwirrend ist allerdings, dass die Glasscheiben der Türen auf den ersten Blick durchsichtig sind. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass ich die Kabine beim ersten Mal mit dem merkwürdigen Gefühl betreten habe, mir könne jeder bei meinen Verrichtungen zuschauen. Nach der Betätigung der Verriegelung geschieht jedoch Wundersames: die Tür wird schlagartig milchig, sprich: undurchsichtig, der Nutzer ist wieder mit sich allein. Des Rätsels Lösung: im Glas der Tür sind Flüssigkeitskristalle eingearbeitet, die durch elektrische Spannung aktiviert werden. Die geschieht beim Verriegeln. Für die Benutzung werden € 0,50 erbeten; dieser Obulus ist den Besuch allemal wert.


Wenn Sie den Hauptbahnhof auf der "Rückseite" am Breslauer Platz Richtung Eigelstein verlassen, treffen Sie an der Nord-Süd-Fahrt auf der linken Seite stadtauswärts auf das Savoy-Hotel. Dieses Haus für gehobene Ansprüche hat sich durch seine individuell designten Zimmer, mehrere Restaurants und einen Dachgarten ein derart gutes Image erarbeitet, dass Kunstschaffende z.B. aus Film und Fernsehen vertraglich darauf bestehen, während ihrer Kölnaufenthalte hier untergebracht zu sein.

Einen besonderen Clou haben sich die Hausherrinnen für das Herren-WC im Erdgeschoß ausgedacht: Sowohl über den Urinalen als auch den Handwaschbecken sind in den Wänden Panorama-Aquarien eingelassen.

Es handelt sich um Salzwasserbecken, in denen riffartige Unterwasserwelten angelegt worden sind. Allerlei bunte Fische, u.a. der aus dem Disneyfilm "Rettet Nemo" bekannte Clownsfisch drehen hier ihre Runden und lenken den Benutzer hoffentlich nicht im Übermaß von seinem eigentlichen Tun ab.  Meine Empfehlung: besuchen Sie das Savoy einmal für ein ausgiebiges Frühstück oder zur Teatime und gucken Sie bei dieser Gelegenheit einmal im "Aquarium" vorbei.


Schauen wir jetzt einmal über den Schüsselrand von Köln und begeben uns "der Rhing erop" an das Rolandseck gegenüber von Bad Honnef. In frischem Glanz erstrahlt über dem Rhein der "Bahnhof Rolandseck", einst erbaut, um der Hautevolee des 19. Jahrhunderts den bequemen Umstieg auf das Rheinschiff zu ermöglichen (Stichwort: "Rheinromantik!), heute Teil des Arp Museums. Tatsächlich halten seit einigen Jahren wieder Züge hier, man kann sagen, dass das Arp-Museum ein Haus mit Gleisanschluss ist.

Wenn die Bahnhofsgastronomie mit Namen "Bistro Interieur No. 253" (ein Erlebnis ist die Außengastronomie mit der im Original erhaltenen Gusseisenkonstruktion des Gebäudes) geöffnet ist haben Besucher Zugang  zu den, wie es sich für einen Ort dieses Ranges gehört, künstlerisch gestalteten sanitären Anlagen. Den Pinsel führte der englische Maler Stephen McKenna, der in den 1970er Jahren hier  im damaligen "Künstlerbahnhof" um den Bonner Galeristen Johannes Wasmuth lebte und arbeitete.

Oben: ein Blick in die "Frauen"-Abteilung, unten in die Räumlichkeiten für die "Männer"


"Nomen est omen" - wieder sind wir bei den Römern gelandet, der Spruch bedeutet, frei übersetzt, "Der Name ist Programm".  Wir haben jedoch Köln in Richtung Ruhrgebiet verlassen und sind in Bottrop angelangt, in einem Lokal namens "Ich danke Sie". Inhaber ist Willi "Ente" Lippens, früher Spieler bei Rot-Weiss Essen und Borussia Dortmund und lebende Legende aus der Anfangszeit der Bundesliga. . 

Lippens füllt mittlerweile ganze Abende und ein Buch mit Geschichten aus seinem an Anekdoten reichen Leben, die berühmteste ist folgende: In einem Regionalliga-Spiel 1965 gegen Herne antwortete er auf die Aussage des Unparteiischen "Herr Lippens, ich verwarne Ihnen" mit den Worten "Herr Schiedsrichter, ich danke Sie", worauf ihn der Mann in schwarz kurzerhand wegen Beleidigung vom Platz stellte. Geschäftstüchtig wie er ist wählte Lippens diesen Spruch als Namen für sein Restaurant.

Seinen Spitznamen "Ente" verdankt Lippens seiner Art, über den Platz zu laufen und auf diese Weise seine Gegenspieler zur Weißglut zu bringen. Unvergesslich sind seine Duelle mit dem Gladbacher Berti Vogts, den er gern als seinen "Lieblingsgegner" bezeichnet.

 

Autogrammwünschen kommt Lippens nach wie vor mit Freude nach; gern verziert er seine Unterschrift mit einer kleinen Entenkarikatur.

 

Da ist es nicht verwunderlich, dass sich das "Wappentier" von Ente Lippens auch im stillen Örtchen des "Ich danke Sie" als Mosaik wiederfindet.